„Nie zu alt dafür“
Im Interview gibt Wilhelm Sander einen Einblick in sein Metier, das ungebrochen gefragt ist. Seine Kunden kommen aus ganz Deutschland und dem Grenzgebiet, sein Tätowier-Kalender kennt kaum Lücken. Wilhelm, gibt es Motive, die momentan besonders gefragt sind? Besonders beliebt sind Mandalas, die sich aus Linien und Punkten zusammensetzen oder Watercolour-Tattoos, die wie Wasserfarbenbilder aussehen. Religiöse Tattoos in Kombination mit Rosenkränzen, Kreuzen, Zahlen und Rosen sind auch sehr beliebt. Zudem noch filigrane Tattoos wie römische Zahlen und Schlagwörter wie „Faith“ oder „Hope“. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass das Motiv Geschmackssache der Kunden ist. Worauf es vor allem ankommt, das ist, mit welcher Qualität das Tattoo gestochen ist, weil Tattoos für immer unter der Haut bleiben. Bei schlechter Ausführung kann auch das schönste Motiv bei den Mitmenschen negativ rüberkommen. Eine Tätowierung braucht ein paar Stunden. Erfährst Du dann in den Gesprächen, welche unterschiedlichen Gründe es gibt, warum sich Menschen tätowieren lassen wollen? Ja, es sind oft familiäre Gründe. Kunden lassen sich als Liebesbeweis die Namen und Daten von Verwandten tätowieren. Ich empfehle, nicht den Namen des Partners auszuwählen, weil man sich auch trennen könnte und dann das Tattoo nicht mehr haben möchte. Welche Gründe außer Liebe gibt es noch? Viele machen es aus Gründen der Verarbeitung, wenn sie jemanden verloren haben, den sie geliebt haben. Generell kann man sagen, dass es zwei Gruppen gibt. Die einen wollen ein Tattoo mit Bedeutung, die anderen wollen es, weil ihnen einfach das Motiv gefällt. Gibt es Körperstellen, von denen Du fürs Tätowieren abrätst? Die Finger! Sie sind ständig in Bewegung und werden häufig gewaschen. Das mindert die Qualität des Tattoos und führt dazu, dass man eventuell nachstechen muss. Auch überall, wo Hornhaut ist, hält die Farbe schlecht. Was war der kurioseste Kunden-Wunsch in Deinem Studio? Das Lustigste war die Figur Towelie aus der TV-Animationsserie South Park, die aussieht wie ein Handtuch mit Armen. Der Kunde wollte sie auf seine Leiste tätowiert haben. Wer lässt sich besonders gerne tätowieren? Erstmal muss ich sagen, dass die Kunden volljährig sein müssen. Es kommen aber auch Jüngere mit der Einverständniserklärung ihrer Eltern, die dann auch dabei sein müssen. Aber die sind selten. Am häufigsten sind die Kunden Mitte Zwanzig. Meine älteste Kundin war über Siebzig. Sie wollte ein Kleeblatt mit vier Buchstaben für alle sichtbar aufs Dekolletee. Du siehst, man ist nie zu alt für irgendwas. Wie lernt man Tätowieren? Es gibt keine staatlich anerkannte Ausbildung mit Prüfung. Die meisten lernen es in Tattoo-Studios. Voraussetzung ist Talent fürs Zeichnen und Kreativität. Mir hat ein Bekannter gezeigt, wie es funktioniert und welche Ausrüstung man braucht. 2014 hab ich dann im Tattoo-Studio meines Bruders angefangen und 2015 meinen eigenen Laden in Bitburg eröffnet. Ist eine Tätowierung nur etwas für Tapfere oder wie sehr muss man die Zähne zusammen beißen? Das kommt auf die Körperstelle an. Die Innenseite des Oberarms, der Fußrücken und der Brustbeinbereich gehören zu den empfindlichsten Stellen. Aber jeder hat sein eigenes Schmerzempfinden. Es kommt auch auf die Fähigkeiten des Tätowierers an. Wie finde ich das richtige Tattoo für mich? Nichts zu überstürzen ist ganz wichtig. Man sollte gut überlegen, was einem in Jahrzehnten noch gefallen könnte. Ideen kann man im Internet sammeln. Am besten lässt man sich aber im Studio etwas Individuelles zeichnen, das kein anderer hat. Dafür brauche ich nur ein paar Schlagwörter, dann werde ich kreativ und fertige einen Entwurf an. Was erwartet die Besucher bei der Gesundheits- und Fitnessmesse an Deinem Stand? Ich bin an beiden Tagen dort und tätowiere live. Am Samstag habe ich einen Kunden mit einem großen Motiv, das über den gesamten Unterarm geht. Das wird auf jeden Fall schon mehrere Stunden dauern. Wenn noch Zeit bleibt, mache ich noch ein paar kleinere Tattoos. Interview: Sybille Schönhofen