Julia Borsch

Leben retten durch Organtransplantationen

Region (jb). Der WochenSpiegel spricht im Interview mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über aktuelle Herausforderungen, Chancen und Fortschritte der Organspende.

Der Organspendeausweis ist ein wichtiger Schritt, um eine bewusste Entscheidung zu treffen. Er hilft, im Ernstfall Klarheit für Angehörige und behandelnde Ärzte zu schaffen.

Der Organspendeausweis ist ein wichtiger Schritt, um eine bewusste Entscheidung zu treffen. Er hilft, im Ernstfall Klarheit für Angehörige und behandelnde Ärzte zu schaffen.

Bild: Symbolfoto CanvaPro

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) spielt eine zentrale Rolle in der medizinischen und ethischen Weiterentwicklung der Transplantationsmedizin in Deutschland.


WochenSpiegel: Woher erhalten Interessierte Antworten auf Fragen zum Thema Organspende? Kann der örtliche Hausarzt darüber aufklären?

BZgA:
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) informiert hier zu allen Fragen rund um die Organ- und Gewebespende und bietet kostenlos über das Online-Bestellsystem Broschüren, Flyer und Organspendeausweise an. Persönliche Beratung für Patientinnen und Patienten inklusive der Möglichkeit, Informationsmaterialien zu bestellen, bietet das kostenfreie BZgA-Infotelefon Organspende, montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr unter der Rufnummer 0800 90 40 400.

Eine Schlüsselrolle bei der Information spielen die Hausärztinnen und Hausärzte: Sie genießen bei Patientinnen und Patienten ein hohes Vertrauen und sind auch beim Thema Organ- und Gewebespende wichtige Ansprechpersonen. Seit dem 1. März 2022 können sich Interessierte in Hausarztpraxen zur Organ- und Gewebespende beraten lassen. In der Beratung sollen Hausärztinnen und Hausärzte bei Bedarf unter anderem über die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Organ- und Gewebespende aufklären sowie über die Bedeutung der Spende für Erkrankte. Damit zielt die Beratung auf die informierte Entscheidungsfindung der Angesprochenen ab. Adressiert werden Patientinnen und Patienten, um selbstständig zu entscheiden, ob sie einer Organ- und Gewebespende nach dem Tod zustimmen oder widersprechen möchten.

Um sie bei der Information ihrer Patienten zur Organ- und Gewebespende noch intensiver zu unterstützen, sind die BZgA und der Deutsche Hausärzteverband 2018 eine Kooperation eingegangen. Hier können sich Hausärztinnen und Hausärzte gezielt über spezielle Angebote informieren.



WochenSpiegel: Wie läuft eine Organspende ab?

BZgA:
Organe dürfen nur entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Organspende zugestimmt hat. Die Zustimmung kann zum Beispiel auf einem Organspendeausweis, in einer Patientenverfügung oder im Organspende-Register festgehalten werden. Ist im Todesfall der Wille der verstorbenen Person nicht bekannt, werden die Angehörigen nach einer Entscheidung im Sinne der oder des Verstorbenen gefragt.

Organe können nur dann gespendet werden, wenn bestimmte rechtliche und medizinische Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu zählt, dass der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod) festgestellt wurde und eine Zustimmung zur Organspende vorliegt. Der Hirntod ist definiert als Zustand der unwiederbringlich erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Er kann beispielsweise als Folge einer Hirnblutung, einer schweren Hirnverletzung oder eines Hirntumors eintreten [...]. Zum Ablauf der Organ- und Gewebespende informiert die BZgA hier.



WochenSpiegel: Ab welchem Alter gilt das Selbstbestimmungsrecht für Organspenden? Können Jugendliche ab 14 Jahren selbst entscheiden oder wird dies von den Erziehungsberechtigten entschieden?

BZgA:
Nach dem Transplantationsgesetz dürfen Minderjährige mit Vollendung des 16. Lebensjahrs ihre Bereitschaft zur Organ- und Gewebespende selbst erklären und zum Beispiel in einem Organspendeausweis dokumentieren. Eine Einwilligung der Erziehungsberechtigten ist nicht notwendig. Einer Organspende widersprechen darf man bereits mit Vollendung des 14. Lebensjahrs.



WochenSpiegel: Viele Menschen sind mithin der Meinung, dass Fachkräfte im Falle eines schwerwiegenden Unfalls nicht alle Maßnahmen zur Rettung der Person ergreifen. Wie positionieren Sie sich zu dieser Aussage?

BZgA:
Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sind dem Wohl der Patientin oder des Patienten verpflichtet. Daher ist es das Ziel aller medizinischen Maßnahmen, zunächst den Zustand der Person zu klären und ihr Leben zu retten. Eine mögliche (dokumentierte) Spendenbereitschaft für Organe und/oder Gewebe spielt dabei keine Rolle.
Erst wenn ein begründeter Verdacht vorliegt, dass bei einer Person die gesamten Hirnfunktionen ausgefallen sind, wird die Hirntoddiagnostik eingeleitet. Die Diagnostik umfasst ein mehrschrittiges Vorgehen, das die Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms untersucht. Diese Untersuchungen müssen von zwei Fachärzten unabhängig voneinander durchgeführt und die Ergebnisse jeweils in einem separaten Protokoll dokumentiert werden.

Das Transplantationsgesetz (TPG) beugt Interessenkonflikten vor: Die an den Untersuchungen beteiligten Fachärztinnen und Fachärzte dürfen im Falle einer Organspende weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe und/oder Gewebe beteiligt sein. Sie dürfen auch nicht Weisungen einer Ärztin oder eines Arztes unterstehen, die oder der an diesen Maßnahmen beteiligt ist. Mit dieser Regelung wird die Diagnostik des unumkehrbaren Ausfalls der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod-Diagnostik) von einer möglichen Organspende und Organtransplantation streng getrennt.

Zudem überprüft die sogenannte Überwachungskommission (Paragraph 11 Absatz 3 Satz 4 Transplantationsgesetz) gemeinsam mit einer Expertengruppe die Krankenakten einschließlich der Protokolle zur Feststellung des unumkehrbaren Ausfalls der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod). Es wird insbesondere geprüft, ob jeweils die Voraussetzungen für die Feststellung des Hirntods gegeben waren, ob es Abweichungen von der Richtlinie gab, ob die Dokumentation mangelhaft war oder ob zum Beispiel Probleme im Angehörigengespräch im Zusammenhang mit der Hirntod-Feststellung aufgetreten sind. Die Krankenhäuser sind gesetzlich verpflichtet, dieser Kommission die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Der Jahresbericht der Überwachungskommission wird regelmäßig im Internet unter www.bundesaerztekammer.de veröffentlicht.



WochenSpiegel: Gibt es eine Auflistung von befähigten Krankenhäusern, die eine Organtransplantation durchführen können?

BZgA
: Eine Liste der Transplantationszentren in Deutschland finden Sie hier.



WochenSpiegel: In welcher Form muss eine Einwilligung zur Organspende erfolgen?

BZgA:
Sie können Ihre Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende in einem Organspendeausweis, im Organspenderegister, in einer Patientenverfügung oder auf einem formlosen Blatt Papier, das mit Namen und Unterschrift versehen ist, festhalten. Sollten Sie Ihren Willen in unterschiedlichen Dokumenten festhalten, sollten sich die Angaben nicht widersprechen. Eine Erklärung in einem Testament ist hingegen sinnlos, da es zu spät eröffnet wird. Weitere Informationen bietet die BZgA hier.



WochenSpiegel: Tragen gesetzliche Krankenkassen die Kosten für eine Organtransplantation?

BZgA
: Angehörige der spendenden Person sowie Empfänger oder Empfängerinnen von Spenderorganen müssen keinerlei Kosten tragen. Diese werden von den zuständigen Stellen übernommen. Wie die Finanzierung der Organspende genau geregelt ist, erfahren Sie hier.


WochenSpiegel: Was würden Sie Angehörigen raten, wenn diese plötzlich eine Entscheidung für eine ihnen nahestehende Person treffen müssen?

BZgA:
Diese Situation sollte grundsätzlich vermieden werden, indem man sich bereits im Vorfeld mit seinen Angehörigen über die eigene Entscheidung zur Organ- und Gewebespende abgestimmt hat. Andernfalls wird man im Fall der Fälle gebeten, dies nach dem mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person zu entscheiden. Oftmals führt dies dazu, dass sich Angehörige gegen eine Organspende entscheiden, da diese Frage in dieser Situation extrem belastend ist. In jedem Fall stehen den Angehörigen die behandelnden Ärztinnen und Ärzten für ein Gespräch zur Seite. Diese können die Angehörigen dabei unterstützen, mögliche Unsicherheiten zu entkräften, Fragen zu beantworten und gegebenenfalls auch eine Entscheidung zu treffen.



WochenSpiegel: Wie geht die BZgA mit den derzeitigen Herausforderungen im Feld der Organspenden um? Welche Kampagnen und Vorgehensweisen sind zur erweiterten Aufklärung zum Thema Organspende geplant?

BZgA
: Die Aufklärungskampagne "Organspende - Die Entscheidung zählt!" der BZgA läuft bereits seit mehreren Jahren. Ziel ist es, die Menschen über die Bereitstellung von Informationen rund um die Organ- und Gewebespende dazu zu motivieren, eine Entscheidung zur Organ- und Gewebespende zu treffen und diese zu dokumentieren. Seit 2012 ist laut den Repräsentativbefragungen der BZgA die Anzahl derjenigen, die ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis dokumentiert haben, von 22 auf 40 Prozent gestiegen.

Derzeit steht die Bewerbung des Onlineregisters im Fokus der Kampagne. Über unterschiedliche massen- und personalkommunikative Maßnahmen wird das Organspenderegister beworben und auf weiterführende Informationsangebote der BZgA hingewiesen. So werden unter anderem über das Internetportal organspende-info.de umfangreiche Informationen bereitgestellt, wie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für den Eintrag in das Organspende-Register oder FAQs mit Antworten auf alle Fragen rund um das neue Register. In diesem Sinne wird auch ein Erklärfilm "So funktioniert das neue Register" angeboten, der aktiv beworben und online verbreitet wird. In Kürze startet eine bundesweite Plakatkampagne zum Thema.

Darüber hinaus unterstützt die BZgA unter anderem Hausarztpraxen und Krankenkassen mit der Bereitstellung von Informationsmaterialien, ist auf diversen öffentlichen Veranstaltungen mit Informationsständen präsent. Sie bietet Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Unterstützung sowie auch beispielsweise Patienten- und Selbsthilfeverbände in ihrem ehrenamtlichen Engagement. Zudem informiert die BZgA über soziale Medien und einer Podcast-Reihe zum Thema, beantwortet Fragen über das Infotelefon Organspende oder per E-Mail.


Die Fragen stellte Julia Borsch


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