Edith Billigmann

"Irgendwo ist immer Ernte"

Australien/Emmelbaum. (edi) Barfuß durch den Supermarkt ist zwar nicht Marvins Ding, aber sonst stimmt für den 21-Jährigen aus Emmelbaum so ziemlich alles.

Bild: Privat

Kurz & bündig

  • Einfach mal was anderes sehen
  • Groß und größer
  • Irgendwo ist immer Ernte...
  • Landwirtschaft ist nicht vergleichbar
  • Gelebter Traum

 

Nach Australien hat es den gelernten Landwirt für sieben Monate verschlagen. In zwei Wochen ist er wieder zurück in Deutschland und blickt ab Herbst mit dem Studium der Agrarwirtschaft in Bingen einem neuen Lebensabschnitt entgegen.

 

Einfach mal was anderes sehen

Australien hatte im Vergleich zu den USA und Kanada bei allen Kriterien die Nase vorn. »Bei einem Stundenlohn von 17 bis 20 Euro netto, einer Sieben-Tage-Woche und 18-Stunden-Tagen macht das schon ein dickes Portemonnaie«, gibt sich Marvin am Ende seiner Reise zufrieden. Doch das alleine hatte nicht den Ausschlag gegeben, sondern es war der Tipp eines Kollegen, der im Jahr davor in Australien gewesen war und ihm diese Erfahrung dringend ans Herz gelegt hatte. Der hatte ihm auch die erste Farm vermittelt. Die nächsten Farmen hatte er dann über Facebook-Gruppen gefunden.

 

Groß und größer

Seitdem sind sieben Monate vergangen und Marvin zehrt noch immer von den Eindrücken und Erfahrungen in einem Land, in dem der Maßstab »Groß und Größer« gilt. Zum Vergleich:

  • Die durchschnittliche Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes umfasst in Deutschland etwa 70 Hektar, in Australien sind es im Schnitt 5.000 Hektar. Größenordnungen von bis zu 40.000 Hektar sind da keine Seltenheit.
  • Die Arbeitsbreiten der Sähmaschinen sind dementsprechend angepasst: In Australien umfassen sie bis zu 24 Meter (mit 200 bis 600 PS), während in Deutschland Arbeitsbreiten bis zu 3 Meter (zwischen 100 und 200 PS) gängig sind.

"Ein kleiner Traktor in Australien ist ein großer in Deutschland", bringt es Marvin auf den Punkt, der mittlerweile problemlos 600 PS über den Acker bewegen kann.

 

"Irgendwo ist immer Ernte"

Seine Erfahrungen hat Marvin auf vier Farmen gemacht. »Irgendwo ist immer Ernte«, sagt er lachend und erzählt von seinen Einsätzen von November bis Dezember bei der Ernte von Getreide, später von Körner- und Silomais und zuletzt im Mai von Baumwolle. "Es ist einfacher, auf großen Feldern zu fahren", resümmiert er. "Alle Mähdrescher sind GPS-gesteuert. Da muss man sich nicht mehr so sehr aufs Lenken konzentrieren." Baumwolle werde schon längst nicht mehr von Hand geerntet. "Dafür gibt es Baumwollvollernter", erklärt er. Bedenken, die schweren Geräte, die etwa 1 Million Euro kosten, zu fahren, hat er nicht. "Das ist keine große Herausforderung", meint er. "Ist ähnlich wie Mähdrescher fahren."

 

Landwirtschaft ist nicht vergleichbar

Insgesamt sei landwirtschaftliches Arbeiten in Australien mit dem in Deutschland nicht vergleichbar, sagt er und wird nachdenklich. "Was wir in Deutschland durch europäische Vorgaben zu viel an Regeln haben, haben wir in Australien zu wenig." Europa sei ein sogenannter Gunststandort, habe im Vergleich zu Australien gute Böden, gutes Klima und ausreichend Regen sowie weniger schwere Unwetter, die ganze Ernten zerstören können. "So hat jedes Land mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen", fasst Marvin zusammen.

Da es weniger Regeln und damit auch weniger Kontrollen im Hinblick auf Düngen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gebe, entstehe zwar weniger Bürokratie, aber der Umwelt- und Klimaschutzgedanke werde dadurch vernachlässigt. "Ölwechsel wird auf dem Feld gemacht und Abfall wird im Wald verbuddelt. Da würde ich mir für Australiens Landwirte höhere Auflagen wünschen", merkt er an.

 

Gelebter Traum eines jeden Landwirts

Dennoch beschreibt er seine Erfahrungen als durchaus positiv. »Was ich erlebt habe, ist der Traum eines jeden Landwirts«, schwärmt der junge Mann und schwelgt in den Erinnerungen an ein außergewöhnlich großes Land, an Maschinen mit unglaublichen Dimensionen und an auffallend höfliche und hilfsbereite Menschen. "Insgesamt hat man den Eindruck, dass es den Menschen hier besser geht und dass sie glücklicher sind", sagt er. Die höheren Gehälter spielten dabei eine nicht unerhebliche Rolle, meint er. Aber auch sonst sei man viel gelassener. Im Supermarkt barfuß einzukaufen, sei nichts Ungewöhnliches, auch wenn er diesen "Luxus" für sich nicht in Anspruch genommen habe. "Ich wollte keine Mitbringsel haben", erzählt er lachend.

Dass er seine Familie und Freunde vermisst, will er nicht in Abrede stellen, aber am meisten fehlt ihm das deutsche Essen. "Hier gibt es kein Mischbrot, sondern nur das Toastbrot", erzählt er. "Das ist eintönig, schmeckt nicht und macht auch nicht satt."

Dann wünschen wir dem jungen Weltenbummler ab Mitte Juni einen guten Appetit in Deutschland!

 


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