gepostet von Julia Borsch

En aal Poar Schuh

Region. Einen neuen Beitrag der Reihe "Eefeler Verzellcher" liefert Autor Joachim Schröder: das Schusterhandwerk in der historischen Eifel.

Ein paar Schuhe des Prosnfelder "Schuster Jakob" kostete 22 Mark - der Tageslohn eines Maurers

Ein paar Schuhe des Prosnfelder "Schuster Jakob" kostete 22 Mark - der Tageslohn eines Maurers

Bild: Archiv Joachim Schröder

Liebe Leserinnen und Leser,

gerne möchten wir uns vorstellen. Wir sind kein menschliches Paar, wir sind einfach nur Schuhe, uralte Dinger aus längst vergangenen Zeiten. Gemeinsam haben wir turbulente Nachkriegszeiten erlebt. Weitgehend zu zweit - natürlich. Es gibt uns immer noch - zumindest im Foto von 1928, aber auch ganz real in einem Museum.

Hier kommt unsere Vita: Als echter Meister seines Fachs hat uns der Schuster Jakob Trauden im Pronsfelder Lehweg im Jahr 1956 gefertigt. Das war eine spannende Geschichte! Bei Jakob fühlten wir uns gut aufgehoben im Laufe der Herstellung und Fertigung. "Schuster Jakob" reparierte auch Schuhe, besohlte sie neu und nähte Lederteile wieder neu zusammen. Aber die Herstellung eines neuen Schuhpaares war sein wichtigster Zweig im Berufsleben.

Jakobs Reich war die Werkstatt - ausgestattet mit dem nötigen Material wie Leder und Stoff, den Werkzeugen und - im Mittelpunkt - dem kleinen Schusteramboss, ohne den gar nichts ging. Hinter ihm baute sich eine kleine Wand aus Kartons auf. Deren Inhalte waren Schuhe aus vielerlei Fabriken, etwa aus der Westpfalz um Pirmasens, der Hochburg deutscher Schuhfabrikation.

Das Besondere an "uns Schuhen" war neben den wohlriechenden Lederelementen die Benagelung an der Sohle. An der Fußspitze erhielten wir ein halbkreisrundes Metallteil, das dazu diente, die Schuhspitze beim Anstoß nicht zu verletzen. Gleiches geschah am Absatz, nur in einer größeren Ausformung. Über die gesamte Sohle waren kräftige Nägel eingeschlagen, 26 an Zahl pro Schuh. Diese Benagelung war unser ganzer Stolz! Wir wussten: so schonen wir die Sohle, so wird Geld gespart! Da wir als Schuhpaar auf lange Zeit - bis zu vier Jahren war eingeplant - halten sollten, wurden wir um mindestens drei Nummern zu groß angefertigt. Das hieß: Mit sieben Jahren erhielt mein Träger bereits die Größe 38 statt 34. Nur am Rande sei bemerkt: Wir kosteten unseren Träger stramme 22 Mark, das war genau der Tageslohn eines Maurers.

Man kann sich leicht vorstellen, dass wir als "neugeborenes" Schuhpaar unseren jungen Schüler mit großer Achtung über alle Wege führten. Auf weichen Böden konnte man unseren Abdruck nicht hören, auf steinigen Wegen knirschte und krachte es gehörig unter den Nägeln. Aber auf Steinböden, etwa in der Kirche oder in der Schule, "klackte" es heftig, wenn die Nägel auf harten Untergrund stießen. Das Geräusch klingt noch heute in unseren Ohren - es war betäubend.

Als Schuhpaar dieser Art - mit knöchelhohem Aufbau - dienten wir so über Jahre dem Träger, und das zu jeder Tageszeit. Sonntags kam ein leichteres Schuhpaar zum Einsatz, nicht benagelt, aber mit beiden "Schutzblechen" an Schuhspitze und im Absatz. Übrigens: Auch Mädchen trugen "die Genagelten" - wie man die Schuhe zu nennen pflegte.

Als Fußballschuhe mit eingedrehten Stollen erlebten meine Nachkommen ein neues Zeitalter - es war 1964. Wir erlebten glorreiche Zeiten auf den Fußballwiesen, manchmal aber auch recht heftige Verletzungen. Wenn die eisenharten Stollen auf das Schienbein des Gegners krachten, war es aus mit Spaß. Als Fußballschuhe wurden wir von unserem jungen Träger wie ein Augapfel behandelt. Nach jedem Spiel gab es eine Rundumpflege mit kräftiger Erdal-Schuhwichse. Die weiteren Nachfahren duften sich sogar über zwei Schlittschuhe freuen. Diese "eisernen Kufen" wurden bei Bedarf auf die Schuhe "umgebettet" und einzeln aufmontiert mit Hilfe von Schnallen. Die Winterfreude konnte nicht größer sein!

Fazit: Wir erlebten eine abwechslungsreiche und schöne Zeit! Weitab vom heutigen "Einerlei" ohne wesentliche Glanzpunkte im täglichen Leben und mitten im "Game-Zeitalter".

 

Text: Joachim Schröder


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