Julia Borsch

Das Moselmusikfestival feiert sein 40-Jähriges - Tobias Scharfenberger im Interview

Bernkastel-Kues (jb). Das größte und älteste Musikfestival seiner Art feiert in diesem Jahr 40-jähriges Jubiläum. Intendant Tobias Scharfenberger im Gespräch über Musik und regionale Identität.

Seit vier Jahrzehnten zieht das moselmusikfestival Musikliebhaber:innen aus aller Welt in eine der schönsten Regionen Deutschlands. Entlang der Mosel verbindet das Festival hochkarätige Künstler:innen mit außergewöhnlichen Kulissen und schafft dadurch ein einzigartiges Konzerterlebnis, das weit über das bloße Hören von Musik hinausgeht.

Inmitten malerischer Weinberge, historischer Klosterruinen oder UNESCO-Weltkulturerbestätten, entfaltet sich die besondere Atmosphäre eines »Destinationen-Festivals«. Hier werden Musik, Landschaft und Kultur zu einem ganzheitlichen Erlebnis. Ob ein Bläserensemble in einer sommerlichen Klosterruine oder ein Renaissance-Chor in einer gotischen Kirche - hier entfaltet sich die besondere Wirkung der Musik.

Im Gespräch gibt Tobias Scharfenberger, Intendant des Festivals, Einblicke in die besondere Verbindung von Musik und regionaler Identität, spricht über Herausforderungen und Highlights des Jubiläumsjahres und erklärt, wie das Festival sich weiterentwickelt, um auch in Zukunft seine einzigartige Magie zu bewahren.

WochenSpiegel: Das Moselmusikfestival zieht jedes Jahr zahlreiche Musikliebhaberinnen und -liebhaber in die Region. Was macht das Festival so einzigartig und wie gelingt es Ihnen, ein so vielfältiges Publikum jedes Jahr aufs Neue anzusprechen?

Tobias Scharfenberger: Ich denke, es ist eine Mischung von verschiedenen Faktoren. Wir haben das große Glück, in einer einzigartigen Kulturlandschaft leben und arbeiten zu dürfen. Wenn ich auf Tagungen oder Netzwerktreffen unterwegs bin, blicken nicht wenige Kolleginnen und Kollegen mit Staunen auf die fantastischen Spielorte, die wir uns in der 40-jährigen Geschichte des Festivals entlang des deutschen Mosellaufes erschlossen haben. Der Erfolg besteht also darin, alljährlich eine möglichst ideale Kombination von Künstler:innen, Programminhalt und Spielstätte zu erreichen - dann entfaltet sich die Magie eines solchen Destinationen-Festivals. Denn so kann ein Konzert über das reine Musikhören hinaus eine noch viel tiefere Wirkung erzielen; ein ganz intensives Gemeinschaftserlebnis für das Publikum, in dem das Musikstück, die Musiker:innen, der Ort und die Zuhörenden in eine ganz besondere Form der Resonanz treten.
Ein Bläserensemble während einer Sommernacht in der Klosterruine Stuben zu Füßen des steilsten Weinbergs Europas zu erleben, zu hören, wie die Musik vom anderen Moselufer zurückhallt und über dem alten Gemäuer die "blaue Stunde" einsetzt, das ist etwas anderes, als ein Konzert in einer Mehrzweckhalle. Gleiches gilt für unsere Konzerte auf den Weingütern oder in den zahlreichen UNESCO-Weltkulturerbestätten. Einen Spitzenchor mit Musik der Renaissance in der hochgotischen Kirche Liebfrauen oder eine großartige Bigband in den Moselauen von Bernkastel-Kues zu Füßen der Burg Landshut sind unvergessliche Konzertabende.


WochenSpiegel: Die Mosel-Region ist bekannt für ihre malerische Landschaft und den exzellenten Wein. Wie gelingt es Ihnen, Musik, Kultur und die regionale Identität miteinander zu verbinden?

Tobias Scharfenberger: Für die Planung eines solchen Programms ist es unabdingbar, neugierig zu sein und zu bleiben. Ich liebe es, Musik zu hören, mir "live"-Eindrücke von Musiker:innen zu verschaffen und ich liebe es, hier durch die Gegend zu stromern und mich von Orten, Begegnungen und der Landschaft inspirieren zu lassen. Hinzu kommt der Austausch mit Künstler:innen, die - wenn ich ihnen einen Konzertort beschrieben oder Bilder geschickt habe - nicht selten Lust bekommen, hierfür ein besonders geeignetes Programm zusammenzustellen. Offenheit gegenüber allen musikalischen Richtungen ist sicherlich ebenso wichtig, wie der Blick von außen, den man immer wieder haben muss, um die fantastischen Möglichkeiten der Region aus einem anderen Betrachtungswinkel zu sehen. Diese Region mit ihrer wunderschönen Landschaft und den fantastischen Weinen ist eine Sensation! Auf der jährlichen Konferenz des Verbandes der Konzerthäuser, Agenturen und Festivals (IAMA) sagte mir eine Marketing-Fachberaterin einmal: "Eigentlich gehört Ihr in jedes Reise- und Airline-Magazin."


WochenSpiegel: Welche neuen Highlights oder besonderen musikalischen Erlebnisse können Besucherinnen und Besucher im "Jubiläumsjahr" erwarten? Wie tragen diese zur Weiterentwicklung des Festivals bei, sodass das Festival auch noch weitere Jahrzehnte bestehen bleibt?

Tobias Scharfenberger: Im Jubiläumsjahr richten wir einen ganz besonderen Blick auf den Entstehungsort des Festivals, den Barocksaal von Kloster Machern bei Bernkastel-Kues. Ein herrlicher Ort mit einer phänomenalen Akustik. Einer unserer inhaltlichen Schwerpunkte sind Spitzenmusikerinnen und -musikern, die einen besonderen Bezug zur Region haben. Sei es, dass sie hier zu Hause sind; sei es, dass sie von hier eine Weltkarriere starteten, wie beispielsweise Karl-Heinz Steffens, der Dirigent und langjährige Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, oder der aus Wittlich stammende Dirk Kaftan, heute Generalmusikdirektor des Beethovenorchesters in Bonn. Darüber hinaus sind in Kloster Machern auch Formate wie ein Tango-Abend und musikalisches Kabarett zu erleben sowie ein komplettes Wochenende mit Streichquartetten der Spitzenklasse.
Im Sommer darf sich unser Publikum dann auf viele weitere Highlights freuen: Darunter das Bundesjugendorchester, die Elite der Nachwuchsmusiker:innen, die mit ihrer mitreißenden Art begeistern. Oder der Tenebrae Choir aus London, der im Rahmen unseres Formats "Nachts im Trierer Dom" zu einer wirklich magischen musikalischen Pilgerreise auf den Spuren des Jakobsweges einlädt. Das Gesamtprogramm veröffentlichen wir Ende März. Darin wird sich auch noch ein für das Festival neuer Spielort befinden, mit dem wir einen besonderen Akzent setzen wollen und wo wir uns gleichzeitig mit der Frage auseinandersetzen: was kann Musik, was kann ein Festival wie das unsrige an gesellschaftlichen Themen anstoßen und aufgreifen? Wie können wir Begegnungs- und Resonanzräume für eine immer ausdifferenziertere Gesellschaft verwandeln, um Gemeinschaft, Kultur und Identität neu entstehen zu lassen? Unter dem Festivalmotto "We all have a note to play" wollen wir den gesellschaftlichen Mehrwert von Kultur einstreichen. Ein Festival wie dieses kann nur dann lebendig bleiben und sich weiterentwickeln, wenn sich alle Akteure - öffentliche und private Geldgeber, Publikum, Musiker:innen und Veranstalter - gleichermaßen einbringen.


Weitere Informationen zum Festival sowie das aktuelle Programm finden Sie hier.

Die Fragen stellte Julia Borsch.



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