Edith Billigmann

Schauspielerin Barbara Philipp: "Ich war nie die jugendliche Geliebte"

Wittlich. Diese Augen, dieser Blick, diese rauchige Stimme - Barbara Philipp hat schon was von dieser verführerischen Frauenfigur mit magischen Zügen. Doch eine Rolle als »femme fatale« hat man ihr nie angeboten. Und auch keine als »jugendliche Geliebte«. Warum? Weil weibliche Stereotype nach männlichen Denkvorlagen so gar nicht zu ihr passen wollen.

Bild: Edith Billigmann

Das sieht sie so, das sehen auch andere so. Und so sind die Rollen, die sie in unzähligen Filmen, Theaterstücken und Hörspielen besetzt hat, geprägt von menschlichen Schicksalen in vielen alltäglichen und nichtalltäglichen Situationen. Vor allem aber sind es Frauen in Ausnahmesituationen oder, wie Barbara Philipp es formuliert: »Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs.«

Wie gut ihr das gelungen ist, zeigen die vielen Fernsehpreise und Nominierungen, die sie in ihrer über 35-jährigen Laufbahn als Schauspielerin und Hörbuchsprecherin erhalten hat, jüngst die Nominierung für den Deutschen Filmpreis als beste Nebenrolle im Mutter-Tochter-Drama »Sprich mit mir«.

Hauptrolle? Nebensache!

Mit Barbara Philipp (59) verbindet man die schlagfertige Tatort-Assistentin Magda Wächter an der Seite von Ulrich Tukur als Hauptkommissar Felix Murot, die Über-Mutter Michaela in »Sprich mit mir« und die Zeugin im Auschwitz-Prozess »Die Ermittlung«.
»Ich habe nicht immer die Hauptrolle gespielt, aber wichtige, prägende Nebenrollen«, sagt sie. Diese aufzuzählen, ist müßig, aber einige sind im kollektiven Gedächtnis geblieben. So etwa ihre Rolle als drogenabhängige Nina Grote im Tatort »Das Böse«, nominiert für den Deutschen Fernsehpreis 2004. Oder ihre Rolle als Gangsterbossin Eisen-Else im Quotenhit »Babylon Berlin« (Staffel 4).
Im Wiesbadener Tatort, der sich seit mehr als zehn Jahren einmal im Jahr Zutritt in die TV-Landschaft verschafft, ist sie schon längst über die Rolle der Nur-Assistentin hinausgewachsen. Sie ist die stille und unentbehrliche Helferin, die sich nie in den Vordergrund drängt, die aber Murot immer »den Arsch rettet«. Das Duo Wächter und Murot hat sich zur Eigenmarke herauskristallisiert und trägt eine eigene Handschrift - für Krimiinsider immer gespickt mit einer Referenz zur Filmgeschichte.

Zur Sache, bitte

Seit 1994 spielt Barbara Philipp eine Rolle nach der anderen. Sie gehört zu Deutschlands vielseitigsten Darstellerinnen. Gelernt hat die gebürtige Wittlicherin ihr Handwerk in Berlin und New York.
Nach dem Abitur studiert sie neben Germanistik Film- und Theaterwissenschaften an der Freien Universität Berlin.
Aber sie merkt schnell, dass ihr das Akademische nicht liegt. Sie ist Praktikerin, will auf die Bühne: Nach einer Ausbildung an der Berliner Schauspielschule »Der Kreis« und den New Yorker HB-Studios folgen zahlreiche Engagements am Theater.
Der Mauerfall öffnet ihr neue Türen. Sie spielt am Dresdner Schauspielhaus und im Berliner Ensemble. An der Filmhochschule Babelsberg dreht sie ihre ersten Kurzfilme und wird vom »ZDF Kleines Fersehspiel« für ihre erste Langfilmrolle entdeckt.

Berlin - Wittlich - Berlin

Es ist nicht schwer, Barbara Philipp in ihrer Heimat anzutreffen. Mir gelingt es auf Anhieb gleich zweimal. Die Säubrennerkirmes ist die Zeit, zu der sich die agile Frau gerne in Wittlich aufhält. Nicht nur wegen der Eltern, die hier leben und die sie möglichst häufig besucht, sondern auch wegen der vielen Freundschaften, die sie als Wahlberlinerin nie hat ruhen lassen. »Ich bin Nomade, ein unruhiger Geist, der immer wieder gerne in die Heimat zurückkehrt«, sagt sie von sich selbst.

Zudem präsentiert das Trierer Filmtheater »Broadway« an diesem Wochenende die Verfilmung des Theaterstücks »Die Ermittlung« als Aufarbeitung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Angeklagt waren Angehörige der SS-Wachmannschaften im KZ Auschwitz, dem größten nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager, in dem mehr als eine Million Menschen, vor allem Juden, aus ganz Europa ermordet wurden.
»Eine schwere Kost, die man aushalten muss«, sagt die 59-Jährige und untermauert damit auch den Anspruch an sich selbst, sich mit dieser Thematik intensiv auseinanderzusetzen. Etwa 60 Darsteller haben an der Verfilmung mitgewirkt - eine davon ist Barbara Philipp, u.a. in der Rolle einer Zeugin, die Au­schwitz nur überlebt hat, weil sie mit der SS-Wache kooperierte. »Kann man sich selbst in Ex­tremsituationen richtig einschätzen?«, fragt sie und stößt damit einen Denkprozess an. »Was ist, wenn Überleben nur dann gelingt, wenn ich nach unten trete und nach oben buckle? Wieviel braucht es, um Täter zu werden?«

Frauen - Liebe - Leben

Schlagfertigkeit und Performance von der Mutter, analytisches Denken vom Vater - ihren Charakter hat Barbara Philipp schnell beschrieben. Von ihren Eltern, beide Lehrer, habe sie den Sinn fürs Praktische, die Liebe zum Sport, das liberale Denken und das Selbstverständnis als Frau. Das erleichtere es, sich in einer Branche zu behaupten, die noch heute beim Gender Pay Gap mit 35 Prozent weit über dem Bundesdurchschnitt liege.
Doch es stört sie nicht nur die ungleiche Bezahlung von Frauen in der Filmindustrie,
sondern auch die Chancenlosigkeit auf bestimmte Rollen ab einem gewissen Alter. »Ab 50 werden Frauen zunehmend unsichtbar, während der graumelierte Mann locker in der Rolle des Verführers junge Frauenherzen bricht«, reflektiert die Schauspielerin und rüttelt an überkommenen Klischees. »Die betrogene Ehefrau, die Mutter, die komische Alte - das sind Rollen, die dann noch bleiben. Aber wir sind viele Frauen und wir haben viel zu erzählen - viel mehr als das, was uns über all die Jahre angedichtet wurde.«

Forever young

Dem Jugendwahn im deutschen Fernsehen zu begegnen - das ist eines der Ziele, die sich die Plattform »Palais F*luxx« gesetzt hat. Deren Kampagne »Let´s change the picture«, die sich gegen die Klischeebilder längst überholter Frauenrollen richtet und für ein größeres, zeitgenössisches und damit attraktiveres Rollenangebot für Frauen 47+ plädiert, hat sich auch Barbara Philipp angeschlossen. »Wir erinnern an den Bildungsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen«, führt Philipp aus. »Dafür machen wir auch vor dem Bundestag nicht Halt.«
Das Thema »Forever young« wird sie noch einmal öffentlich machen - gut platziert beim Kultursommer Rheinland-Pfalz 2025 in Mainz. Dann nämlich kann sie mit ihrer Band »Schall & Rauch« kritische Reflexionen, in Chansons parodistisch verpackt, ordentlich Programm machen.

Frauen & Wein . . .

Wussten Sie, dass Barbara Philipp als ausgewiesene Weinexpertin seit 13 Jahren die Endrunde des Focus-Winzerpreises begleitet? Ihrer Liebe zum Wein hat sie ein eigenes Programm mit Lesung gewidmet. Es trägt den Namen, wie könnte es anders sein: »Weib, Wein und Gesang«. Passend zu Texten von Frauen über Wein gibt sie ihre »Lieblingssauflieder« dann in vier Sprachen zum Besten. >> Insta: babaphi


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