Rechte der Retter verteidigen
»Immer öfter geraten Einsatzkräfte durch ihr Engagement für Leib und Leben in Gefahr. Das ist ein untragbarer Trend«, stellte Britta Güldenberg fest - das war Anfang 2020, als die Richterin einen Vorfall aus dem Winter 2019 beschäftigte. In der Silvesternacht hat es nun ganz neue Ausmaße genommen.
Eifel (Fö). »Wir sind vollkommen fassungslos über die Ereignisse in der Silvesternacht. In Gedanken sind wir bei allen verletzten Einsatzkräften und wünschen schnelle und nachhaltige Genesung«, erklärt Nicole Mahr, die Leiterin der Freiwilligen Feuerwehr Simmerath.
Glücklicherweise sind solch derartige Situationen in der Eifel noch eine Seltenheit. »Gleichwohl stimmen uns diese Ereignisse und auch die auf dem Land wahrnehmbare Zunahme von beispielsweise Beschimpfungen und Beleidigungen nachdenklich und lässt uns kritisch in die Zukunft blicken«, erklärt Mahr.
Vor Gericht war seinerzeit ein Vorfall verhandelt worden, indem eine Autofahrerin rücksichtlos Wehrleute gefährdet hatte, die auf schneebedeckter Fahrbahn einen Baum beseitigten. Dabei sei besonders schockierend gewesen, dass die Feuerwehr auf die Gefahrenlage hingewiesen hatten, sie dafür beschimpft worden und im weiteren Verlauf dann sogar eine Verletzung in Kauf genommen worden war.
»Einsatzkräfte verstehen sich in der Rolle als Helfende und sind bereit, für ihre Mitmenschen ihre Zeit oder sogar ihre eigene Gesundheit für notwendige Hilfeleistungen zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug erwarten Einsatzkräfte in der Regel Respekt und Achtung ihrer Person und Funktion«, appelliert Mahr an die Mitmenschen.
»Offene Aggression gegen Wehrleute« stellt auch Falk Claßen, Leiter der Feuerwehr in der Stadt Monschau nur ganz selten fest. Respektlosigkeit nehme jedoch zu. »Ein Beispiel ist hier die Verkehrsunfallrettung durch Rettungsdienst und Feuerwehr. Hier gibt es die Verkehrsteilnehmer, die bei Sperrung einer Straße trotzdem noch die Unfallstelle passieren wollen und somit die Rettungskräfte direkt behindern oder durch Wendemanöver die Anfahrt von Rettungskräften verzögern«, so Claßen.
»Wir sind wohl froh in der Eifel zu leben. Solche Ausschreitungen sind uns hier zum Glück noch fremd«, so Joachim Wynands, Chef der Feuerwehr in der Gemeinde Roetgen und stellvertretender Kreisbrandmeister. Verbale Attacken bekomme man jedoch immer wieder zu spüren. »Ich denke das die Feuerwehren grundsätzlich geschätzt werden und deren Arbeit gewürdigt wird. Bei unserer Tätigkeit überwiegen Dankbarkeit und Achtung auf Seiten der Bürgerschaft.«
Wichtig, auch für das Empfinden der hiesigen Einsatzkräfte, sei in solch erschreckenden Fällen wie in der Silvesternacht in Berlin eine konsequente Strafverfolgung. Konsequent und richtig sei, dass in NRW bereits erste Durchsuchungen bei Verdächtigen stattfanden, die sich in Chats zu Krawallen verabredet haben. »Das sind die Maßnahmen die man jetzt von der Politik erwartet und die den Rettungskräften zeigen, dass man sie schützt und ihre Rechte verteidigt«, so Wynands. »Minister Herbert Reul als oberster Dienstherr von Feuerwehr und Polizei in NRW handelt genau so, wie es jetzt angezeigt ist.«
Um einer möglichen Abnahme des ehrenamtlichen Engagements durch solche - wenn auch seltene - Vorfälle entgegenzuwirken, gilt es, den Zusammenhalt und den Sinn der Aufgabe weiter zu stärken und Wehrleute für solche Situationen zu sensiblisieren, meint Nicole Mahr.
Aufgrund der dörflichen Strukturen verzeichne man aktuell noch mehr Zu- als Abgänge in den Löschgruppen, freut sich Falk Claßen. Belastende Situationen oder gar Anfeindungen nach dem Einsatz in der Gruppe zu besprechen und aufzuarbeiten, sei dabei ein wichtiger Schlüssel. Es nehmen jedoch Schulungen von Verhaltensgrundsätzen im Einsatz, Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich Kommunikation, die Durchführung von Nachbesprechungen von Einsätzen, die Unterstützung bei einer Anzeigenerstattung und die Erstellung einer gerichtsfesten Dokumentation traurigerweise immer mehr an Bedeutung zu.
Und Nicole Mahr weiß: »Wir sind ein starkes Ehrenamt, sind weiterhin füreinander da und bleiben auch zukünftig davon überzeugt!«