Thomas Förster

Ein Jahrhundertleben für Völkerverständigung

Eine Aufnahme von Mai 2024: Victor Neels wird am heutigen Mittwoch, 15. Januar, stolze 100 Jahre alt. Foto: privat

Eine Aufnahme von Mai 2024: Victor Neels wird am heutigen Mittwoch, 15. Januar, stolze 100 Jahre alt. Foto: privat

Bild: Familie Neels

Er ist ein großer, ein großartiger Europäer, ein Brückenbauer: Victor Neels wird 100 Jahre alt.

Vogelsang (BST). Sein berufliches Wirken, seine Aufgabe als Kommandant des belgischen Truppenübungsplatzes Vogelsang, hat er bereits 1980 offiziell beendet, als er im Dienstrang eines Oberst (auf Flämisch: Kolonel) in den Ruhestand trat. Doch er ist in der Eifel, inmitten des Nationalparks, auch 45 Jahre nach seinem Abschied vom Militär, immer noch unvergessen. Am heutigen Mittwoch, 15. Januar, kann der belgische Flame, gebürtig aus Balen nordwestlich von Hasselt, sein 100. Lebensjahr vollenden. Ein Jahrhundertleben im Dienste der Völkerverständigung, ein außergewöhnlicher Mensch. Victor Neels ist ein Vorbild für viele.

Auch im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich der Berufssoldat Victor Neels weiter »seinen« Militärkameraden auf der früheren NS-Ordensburg Vogelsang, die vor 20 Jahren endgültig abgezogen sind, aber auch der Region uneingeschränkt weiter verbunden gefühlt. Immer wieder besuchte er seine frühere Wirkungsstätte, nahm an Festen teil. Lange Jahre hat er in der Gemeinde Simmerath gelebt. Seine geliebte Frau Annelene, eine gebürtige Deutsche, ist im Simmerather Ortsteil Rurberg 2021 zu Grabe getragen worden, nachdem sie im Alter von 95 Jahren gestorben war. Sie hat ihren Mann auf seinen vielfältigen beruflichen Stationen immer treu begleitet. Sie hätten deswegen mindestens 17-mal umziehen müssen, sagte Victor Neels einmal. So wurde er auch in der ehemaligen afrikanischen Kolonie der Belgier, im Kongo, als Offizier eingesetzt.

Inzwischen geht es Victor Neels gesundheitlich leider nicht mehr so gut. Er ist pflegebedürftig und lebt im Seniorenzentrum St. Elisabeth der Cellitinnen in Zülpich.

Denkmal für

Brückenbauer

Im Jahre 1970 hatte Victor Neels das Kommando auf Camp Vogelsang, wie die belgische Kaserne auf Französisch genannt wurde, auf Flämisch Kamp Vogelsang. Ganz in der Nähe ist ein starkes Zeugnis zu sehen, das wohl auf immer mit ihm verbunden sein wird: die 2009 freigegebene Victor-Neels-Brücke über die Urfttalsperre, zu Füßen von Burg Vogelsang. Sein Name prangt in großen Lettern auf einer Granitplatte an der gut 120 Meter langen Fußgängerbrücke. Der architektonische Entwurf dieser Stahl-Hängebrücke ist preisgekrönt. Zur Verleihung des Deutschen Stahlbaupreises an das Nideggener Büro Lorenz Cornelissen und Jutta Rodeheger im gleichen Jahr reiste auch das Ehepaar Victor und Annelene Neels nach Dresden.

Dass ihr Vater einmal so symbolhaft für die Verständigung zwischen Belgiern und Deutschen stehen würde, war wirklich nicht abzusehen. Während des Zweiten Weltkriegs hat Victor Neels im belgischen Widerstand, in der »Résistance«, gegen die deutschen Besatzungstruppen, gegen die Nationalsozialisten gekämpft. »Ich habe in der Nazizeit viele Freunde verloren«, sagte er einmal in einer WDR-Dokumentation. »Ich hasste die Deutschen, ich hasste Deutschland.«

Seine Meinung über seine späteren »Gastgeber« änderte Victor Neels indes, als er seine deutsche Frau Annelene kennenlernte. Hätte er damals seinen Eltern von dieser Liaison erzählt, hätte man ihn rausgeschmissen. Die Folge für das Liebespaar: »zwölf Jahre wilde Ehe«. Während man privat also Sympathien füreinander entwickelte, wurden die Belgier als Soldaten immer noch argwöhnisch betrachtet. Dafür sorgten auch die ständigen Panzerübungen auf dem Truppenübungsplatz und in der Umgebung. Dabei gab es oft Beschädigungen an Straßen und Häusern nahe Vogelsang.

Victor Neels wollte an diesem Missverhältnis etwas ändern. So ließ er bei Dreiborn eine Panzer-Umgehungsstraße bauen, die das Dorf deutlich entlastete und das Verhältnis zu den Deutschen schlagartig verbessert habe. Als in manchen Dörfern Sportplätze gebaut wurden, besorgte Neels die Bulldozer und das Material. Zum neuen Verhältnis trugen auch die Sozialprogramme bei, die Kolonel Neels startete, etwa indem behinderten Kindern ein Urlaub an der belgischen Küste finanziert wurde. Die Mittel dafür erarbeiteten die Soldaten in ihrer Freizeit. Und was ganz entscheidend zu einer Öffnung zur deutschen Bevölkerung beitrug, waren die Tage der offenen Tür, die Neels 1972 startete und alle zwei Jahre anbot. Mehr als 40.000 Besucher passierten die Zugangsschranken zu dem Militärgelände Vogelsang.

Er hat seinen wertvollen Beitrag zu dieser Entspannung geleistet. Und der deutsche Staat dankte es ihm: mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande schon im Jahre 1975 und mit der Höherstufung zum Großen Bundesverdienstkreuz anlässlich seines beruflichen Ausscheidens im Camp im Jahre 1980. 2005 räumte die belgische Armee Vogelsang. Seitdem etabliert sich dort der »Internationale Platz«. Er blieb, wie es Neels einmal sagte, »meine zweite Heimat«.

Eng auch seine Bindung zum Monschauer Medienhaus Weiss: Mit Hans Georg Weiss sei er eng befreundet gewesen, heute mit dessen Sohn Georg Weiss und Tochter Dorit Schlieper.


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