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Chancen des Strukturwandels nutzen
„Es gibt viele Unsicherheiten – regional, national, international. Aber lassen Sie uns die Chancen im Blick behalten und gemeinsam nutzen“, appellierte Mainz bei der IHK-Jahresvollversammlung vor allem mit Blick auf den Braunkohleausstieg: „Wir können als Gewinner aus der Energiewende hervorgehen – wenn wir die Weichen richtig stellen, wenn wir die vorhandenen Kompetenzen nutzen und alle Akteure auf diesem schwierigen Weg mitnehmen.“
Konjunktur: „Erwartungen sind eingetrübt"
Den Unternehmen in der Region gehe es grundsätzlich gut, sagte Mainz: „Sie handeln in einem schwierigen Umfeld, weshalb die Erwartungen eingetrübt sind. Diese Wachstumsberuhigung schützt uns vielleicht vor einer Überhitzung der Konjunktur – nach einem über zehnjährigen Aufschwung. So rechnen wir in diesem Jahr nicht mit einem Abschwung.“ Der größte konjunkturelle Risikofaktor sei der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern.Haushaltssituation: „Ausgabenseite kritisch prüfen!“
Die gute Konjunktur und die hohe Beschäftigungsquote führten zu steigenden Steuereinnahmen auf allen Ebenen. Bundesweit erhöhe sich das Steueraufkommen dabei nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Leistung. Die Haushaltssituation der Kommunen habe sich erfreulicherweise verbessert – bedingt durch eine sehr gute Konjunktur, historisch niedrige Zinsen und verschiedene Einmaleffekte. „Dennoch: Die Situation bleibt sehr angespannt. Daher appellieren wir weiterhin, die Ausgabenseite kritisch zu prüfen. Eine nachhaltige Konsolidierung kann allerdings nur gelingen, wenn Bund und Land mehr als bisher ihrer Aufgabe einer auskömmlichen Finanzausstattung der Gemeinden nachkommen“, erklärte der IHK-Präsident.Für attraktive Innenstädte: „Clever handeln!“
Cleveres Handeln sei auf kommunaler Ebene auch mit Blick auf die Innenstädte gefragt. Durch die Digitalisierung befinde sich der Einzelhandel in einem radikalen Transformationsprozess. „Der sogenannte hybride Kunde von heute will auf allen Kanälen einkaufen. Dazu gehören auch die Innenstädte – sofern sie ein Ort für Erlebnis, Inspiration und Begegnung bleiben.“ Leider sei in der Stadt Aachen vielerorts das Gegenteil der Fall, kritisierte Mainz: „Insbesondere in der Innenstadt prägen Leerstände und Schrottimmobilien das Bild. Diese Abwärtsspirale muss endlich gestoppt werden!“ Damit Aachen ein attraktives Zentrum für die Region bleibe, müssten Politik und die Mitarbeiter der Verwaltung – angeführt von einem „starken“ Dezernenten – den „Masterplan 2030“ und das „Innenstadtkonzept 2022“ zeitnah umsetzen.Duale Ausbildung: „Weiter am Image arbeiten!“
Laut dem IHK-Präsidenten hat die duale Ausbildung inzwischen ein stärkeres Ansehen. „Endlich wird anerkannt, dass auch die praxisorientierte Ausbildung in den Betrieben ein ‚Mensch gewordenes‘ Versprechen für Fachkräftesicherung und Wohlstand ist. Ein Studium garantiert das nicht mehr. Wir müssen weiter am Image der Ausbildung arbeiten, wenn wir auch künftig junge Menschen für das duale System gewinnen wollen. Wir müssen ihnen das Gefühl vermitteln und vorleben, dass sie Teil von etwas Größerem und Einmaligem sind.“ Viele Unternehmen hätten zunehmend Schwierigkeiten, Lehrlinge zu finden. 2018 sei die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse im Kammerbezirk um 0,7 Prozent zurückgegangen. „Wenn wir stabile oder gar steigende Zahlen haben und halten wollen, müssen wir aktuell und aktiv bleiben.“ Dies gelte auch für die „Modernisierung von Berufsbildern“. So habe die IHK im vergangenen Jahr etwa die Teilnovellierung der Metall- und Elektroberufe sowie acht Zusatzqualifikationen zum Thema „Industrie 4.0“ auf den Weg gebracht. Gleichwohl müssten Fachkräfte auch nach der Ausbildung gefördert werden, weshalb die Kammer gemeinsam mit der Qualifizierungsgesellschaft low-tec eine Teilqualifizierung für die Elektro-Autobauer angeboten habe und dieses Modell auf weitere Berufsbilder ausweiten wolle.Strukturwandel: „Kohleausstieg zur Erfolgsstory machen!“
Die mit dem Kohleausstieg verbundenen Ziele beschrieb Mainz als „anspruchsvoll“: So habe das Rheinische Revier bis 2030 beinahe im Alleingang das noch fehlende gesamte CO2-Einsparvolumen der Bundesrepublik zu schultern. Um auf notwendige Maßnahmen hinzuweisen, hätten die IHKs kontinuierlich das Gespräch mit der Politik gesucht – mit Erfolg: Unter anderem seien im Abschlussbericht drei Checkpoints festgelegt worden, die eine regelmäßige kritische Überprüfung der Entwicklung und notwendige Anpassungen garantierten. Neben einer allgemeinen Strompreiskompensation für Industrie, Gewerbe und Haushalte sei außerdem eine Verlängerung der Hilfen für die energieintensive Industrie vereinbart worden. „Es ist möglich, den Braunkohleausstieg zu einer klima- und strukturpolitischen Erfolgsstory zu machen“, sagte Mainz. Allerdings müssten die für den Industriestandort notwendigen Grundlagen erhalten bleiben: eine sichere Energieversorgung, stabile Preise und Wettbewerbsfähigkeit. Der Bund müsse insbesondere dem Umfeld der direkt betroffenen Kommunen ausreichende finanzielle Mittel für den Strukturwandel zur Verfügung stellen. „Sonst gerät das gesellschaftliche Gleichgewicht aus den Fugen“, warnte der IHK-Präsident. Auch auf kommunaler Ebene müsste dafür gesorgt werden, dass die ansässigen Unternehmen nach der Braunkohle weiterhin zukunftsfähige Arbeitsplätze für ihre Bürger anbieten können. Dabei sagte Mainz den zuständigen Bürgermeistern die Unterstützung der Kammer zu. „Hier sind Netzwerke gefragt, die die Verbindung mit der Nachbarschaft festigen und weiterentwickeln“, forderte er und nannte dabei die „Zukunftsagentur Rheinisches Revier“ als wichtigen Partner.Infrastruktur: „Verkehr in Busse und Bahnen verlagern!“
Damit der Strukturwandel gelinge, müssten auch die Infrastruktur und das Mobilitätsangebot weiterentwickelt werden. Neben dem Ausbau der Schienenstrecke Aachen – Köln, für die bereits ein entsprechendes Maßnahmenbündel in Planung sei, bleibe der A1-Lückenschluss ein wichtiges Projekt. Im Rahmen einer neuen Initiative seien Befürworter eingeladen, für den Bau der fehlenden 25 Kilometer zu werben. Die Kapazitätsgrenzen auf den Straßen, aber auch in Bus und Bahn würden in der Städteregion Aachen regelmäßig überschritten, weshalb die Euregiobahn künftig um die „Regio-Tram“ ergänzt werden soll. „Durch attraktive Angebote müssen wir den Verkehr von der Straße in die Busse und Bahnen verlagern. Wir haben es selbst in der Hand, ob wir in Aachen auch durch elektromobile Lösungen oder in Düren durch Wasserstoff-Verbrenner saubere Luft einatmen. Dafür brauchen wir keine Dieselfahrverbote. Jeder von uns kann seinen Beitrag leisten und nachhaltig mobil unterwegs sein.“Appell an die Briten: „Please stay close!“
„Die Welt ist im Umbruch: Großbritannien, Russland, Ukraine, Nord-Korea, Türkei, Italien oder Südamerika – nichts ist, wie es noch vor kurzem war“, beschrieb Mainz die internationale Wirtschaftslage. In Zeiten von Europa-Verdrossenheit und wachsendem Populismus sei Zusammenhalt wichtiger denn je: „Suchen wir uns Partner! Unser Wohlstand und unsere Arbeitsplätze hängen am weltweiten Miteinander.“ Als erfolgversprechendes Beispiel nannte er das Handelsabkommen zwischen Japan und der EU, für das die europäischen Staaten an einem Strang gezogen hätten. „Weil gemeinsam mehr erreicht wird, hoffe ich inständig, dass sich die Briten besinnen“, betonte der IHK-Präsident. Nach dem Votum für eine Verschiebung des Brexit müsse die gewonnene Zeit genutzt werden, um verantwortungsvoll mit dem geplanten EU-Ausstieg umzugehen. „Please stay close!“, lautete sein Appell. „Arbeiten wir an einem Europa, das Menschen über Grenzen zusammenbringt und in dem es sich lohnt, gemeinsam unterwegs zu sein!“, sagte er mit Blick auf die Europawahl.Für eine neue Gründerkultur: „Begeisterung schaffen!“
Als kritische Entwicklung beschrieb Mainz die sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in ganz Deutschland gesunkene Zahl an Unternehmensgründungen: „Ohne Gründer gibt es weniger Innovationen – und somit weder neues Wachstum noch weitere Arbeits- und Ausbildungsplätze oder zusätzliches Steueraufkommen für öffentliche Aufgaben. Ohne Nachfolger stehen außerdem viele Betriebe vor dem Aus.“ Er rief dazu auf, Begeisterung für das Unternehmertum zu wecken und eine neue Gründerkultur zu schaffen. Zu den „Hoffnungsschimmern“ zähle etwa die Förderung der RWTH Aachen im Rahmen der Initiative „Exzellenz Start-up Center.NRW“. „Hier muss die Region – in diesem Fall die GründerRegion Aachen – daran arbeiten, Mehrwerte für unseren Wirtschaftsraum abzuleiten!“ Als weitere Fortschritte für die Start-up-Szene benannte Mainz die digitale Gewerbemeldung, das von der Kammer und der GründerRegion unterstützte Gründerstipendium in NRW sowie die bundesweite Offensive „GO“. Diese greife zentrale Punkte der IHK-Studie „Projekt Unternehmertum“ auf, der zufolge junge Menschen noch besser über die Chancen der Selbstständigkeit aufgeklärt werden müssen. „Zusammen mit den Partnern in der GründerRegion befördert die IHK ein positives Gründungsklima“, betonte Mainz. Zudem seien neue digitale Angebote in Planung: Die GründerRegion entwickle einen „HUB“ für angehende Unternehmer und die Kammer investiere in neue Anwendungen, um die Qualität ihrer Dienstleistungen zu steigern.Ausblick: „Wir müssen ein starker Partner sein!“
„All diese Ziele sind nur realisierbar, wenn wir uns zusammenschließen – und zwar jetzt und heute“, betonte Mainz abschließend: „Ob in Arbeitsgruppen, Netzwerken oder Bündnissen: Wir müssen jeweils ein starker Partner sein!“Meistgelesen
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