Nach 21 Jahren hat Raimund Ackermann seine Arbeit als Streetworker beendet. Bereits Wochen zuvor wurde der ihn und seine Arbeit 16 Jahre lang tragende Verein Obdachlosenhilfe „Streetwork“ Trier aufgelöst. Die dadurch entstandene Lücke stellt die Stadt nun vor erhebliche Probleme, denn sie ist für die Anschlussbetreuung verantwortlich. Eine zeitnahe Lösung ist jedoch nicht in Sicht. Die Suche könnte sich durchaus als problematisch herausstellen, reichte die Arbeit Ackermanns doch weit auch ins Privatleben hinein.
Mehr als zwei Jahrzehnte rund um die Uhr greifbar, egal welches Wetter, auch an Wochenenden und an Feiertagen – das zehrt an den Kräften. Der Entschluss aufzuhören war für Raimund Ackermann genau die Konsequenz daraus. „Jeder hatte meine Nummer, jeder wusste, wo ich wohne, Urlaub ist für mich ein Fremdwort“, erklärt der 60-Jährige. Die Gründe sind nachvollziehbar, Leichtfertigkeit fehl am Platze. Im Schnitt betreute Ackermann in seiner „aufsuchenden Sozialarbeit“ während der Sommermonate im Schnitt rund 40, in den Wintermonaten circa 14 Obdachlose. Mit viel Geduld bewegte er zahllose in der klirrenden Kälte ausharrenden und zumeist von Alkholsucht gezeichneten Menschen dazu, sich in für sie vorgesehene Unterkünfte oder wenigstens an wärmere Plätze zu begeben.
Hohe Verantwortung
Oft hatte er mit der beharrlichen Irrationalität der Obdachlosen zu kämpfen – auch mit tragischen Ausgängen, wie er berichtet. Insbesondere die „Weihnachtsverantwortung“ sei für ihn zuletzt zur Bürde geworden und er erzählt von einem Fall aus dem Jahr 2010, in dem ein schwerst alkoholabhängiger Mann trotz intensivsten Bemühungen auch von Seiten der Polizei und des Ordnungsamtes den Kältetod starb. Umgehend meldete sich die Kriminalpolizei bei Ackermann, der, wie er sagt, gerade zu Hause beim Weihnachtskaffee saß und sind nun für den Todesfall rechtfertigen sollte.
Vom öffentlichen Dienst auf die Straße
Vor seiner Arbeit als Streetworker war Ackermann 15 Jahre im öffentlichen Dienst tätig. Auf der KFZ-Zulassungsstelle führte er Verwaltungsakte durch und klebte Plaketten auf Nummernschilder. Doch bereits zu dieser Zeit betreute er zwei Obdachlose. „Ich habe da erkannt, dass es befriedigender ist, einem in Not geratenen Menschen zu helfen, als Aufkleber auf Nummernschilder zu kleben“, erzählt er. Den ausschlaggebenden Moment bildete dann der von ihm miterlebte Krebstod seiner Mutter. Dieser habe ihm aufgezeigt, wie unnötig materielle Dinge eigentlich sind. „Ich wollte etwas schaffen, das bleibt, was mir der Tod nicht entreissen kann“, sagt Ackermann.
Würdiger Abschluss
Das kleine Fest, das als Dankeschön für langjährige Sponsoren und Unterstützer gedacht war, wurde vom Musiker Joe Casel mit Titeln wie „Streets of London“ oder „Eve of Destruction“ thematisch begleitet. Die Sozialdezenentin der Stadt Trier, Angelika Birk, hatte indes nicht Neues zu berichten. Nach wie vor sei die Nachfolge ungewiss, entsprechende EU-Anträge zur Finanzierung wären gestellt und die Stadt zunächst in der Verantwortung. „Ich glaube nicht, dass wir so schnell jemanden finden, der all das stemmt, was sie (Raimund Ackermann) geleistet haben. Sie haben mit ihrer Arbeit Standards gesetzt“, resümiert Birk.
Fotos: Kreller