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Wollte Waffennarr vor Gericht die Biege machen?

»Wenn Narren am Werk sind, setzt manchmal der Verstand aus« - Bei der Urteilsverkündung dieses mehr als ungewöhnlichen Falls zieht Richter Gerald Michel eindeutige Schlüsse. Dass es sich bei dem 63-jährigen Angeklagten eindeutig um einen Waffennarr handelt, war bereits Ende Februar 2015 klar, als in dessen Haus ein »Nest von illegalen Waffen« (so der Richter) vorgefunden wurde (wir berichteten).

Als der Angeklagte vergangene Woche in Anzug und mit Krawatte sowie Aktenkoffer im Cochemer Amtsgericht erschien, machte er einen sehr seriösen Eindruck - zweimal hatte er das Gericht einfach sitzengelassen und wurde einmal von der Polizei in offenbar angetrunkenem  Zustand zuhause abgeholt. Doch offenbar hatte sich seine Einstellung zu dem Gerichtsverfahren nicht mit seinem Äußeren verändert, denn als Richter, Verteidiger, eine Mitarbeiterin der Kreisverwaltung und der Staatsanwalt gerade Fotos seiner Wohnung begutachteten, stand der Angeklagte auf und wollte den Gerichtssaal verlassen. Als Richter Gerald Michel ihn aufhielt, gab er vor, zur Toilette zu müssen. Doch Oberstaatsanwalt Rainer Hofius traute dieser Ausrede nicht und positionierte zwei Polizisten an der Tür des Amtsgerichtes. Und tatsächlich nach seinem Toilettenbesuch begegnete der Angeklagte den Beamten an der Ausgangstür und wurde prompt zurück in den Gerichtssaal gebracht. War es ihm etwa zu bunt geworden und  er wollte die Biege machen? Schließlich hatte die Angestellte der Kreisverwaltung gerade berichtet, dass das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens dem Angeklagten ein Waffenverbot ausspreche, seine Waffenbesitzkarten und der Jagdschein widerrufen wurden und alle Waffen, die in seinem Haus gefunden wurden, und rechtmäßig auf ihn angemeldet waren, mittlerweile veräußert wurden. Der Angeklagte kann somit seiner Waffenleidenschaft nicht mehr nachgehen.
Insgesamt sorgte dieser »nicht alltägliche Fall«, wie Oberstaatsanwalt Hofius ihn nannte, für einige Verwirrung bei Gericht. Bei der Sichtung und Auflistung der Waffen sowie beim Erfassen des vorgefundenen Nitro- und Schwarzpulvers waren Fehler gemacht worden. So mussten einige in der Anklageschrift enthaltene Dinge nachgeprüft und richtig gestellt werden.   
Tatsächlich besaß der Angeklagte als Sportschütze, Jäger, Büchsenmacher und Sammler zahlreiche Waffen und auch einen Teil des Sprengstoffes legal. 13 Langwaffen, die in seinem Haus sichergestellt wurden, waren in keiner Waffenbesitzkarten (WBK) zu finden. Dabei hätte er diese Waffen prinzipiell besitzen dürfen, wenn er sie einfach eintragen lassen hätte, bestätigte der Oberstaatsanwalt. Bei der Bearbeitung des Falls stellte die Angstellte der Waffenbehörde zudem fest, dass eine Vielzahl dieser Waffen eine unbekannte Herkunft haben, da sie nicht einmal im nationalen Waffenregister zu finden sind. Auch der Angeklagte löste nicht auf, woher die Waffen tatsächlich stammen.Neben den 13 nicht eingetragenen Waffen, wurden auch zwei zerlegte Maschinenpistolen von 1942 - die ebenfalls nicht auf der Waffenbesitzkarte eingetragen waren - sichergestellt. Der anwesende Sachverständige vom LKA Mainz führte vor, dass die beiden Waffen mit wenigen Handgriffen wieder funktionsfähig gemacht werden können. Zudem hat der gelernte Büchsenmacher offenbar an einer anderen Waffe unerlaubte Umbauten vorgenommen. Außerdem wurden mehrere Behälter mit Nitro- und Schwarzpulver im Haus gefunden. Dem Angeklagten war es erlaubt, zwei Kilogramm davon zu besitzen. Tatsächlich lagerte er allerdings mehr als 13 Kilo in seinem Keller. »Diese Anzahl ist jenseits von Gut und Böse«, stellte Oberstaatsanwalt Rainer Hofiuserschüttert fest. Es sei nicht auszudenken, was bei einem Brand in dem Haus passiert wäre.
Doch auch hier endet die Liste der Kuriositäten nicht, denn 18 Langwaffen und zwei Kurzwaffen, die der Angeklagte eintragen lassen hat, konnten bisher nicht aufgefunden werden. »Anscheinend haben Sie vollkommen den Überblick verloren in diesem chaotischem Umfeld. Dort gehört keine Schusswaffe oder Munition hin«, ist sich Richter Michel sicher. Und Oberstaatsanwalt Hofius schließt sich an: »Nicht die Zahl der Waffen ist gefährlich, sondern die Aufbewahrung.«
Als die vielen Ungereimtheiten schließlich entwirrt waren, lautete das Urteil: Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Außerdem wird dem Angeklagten ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt und eine Geldstrafe von 1.500 Euro auferlegt. Einsicht zeigte dieser  jedoch immer noch nicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Foto: Zender


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