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Letzte Runde ist eingeläutet

Alles hat seine Zeit: Ob Peter Alexander bei seinem Hit "Die kleine Kneipe" an das "Braustübchen" in Cochem gedacht hat ist zwar unwahrscheinlich, aber es hätte gepasst. Als das Lied 1976 die Hitparade stürmte, standen Herwin und Hiltrud Eckerskorn bereits 15 Jahre hinter der Theke der Cochemer Instutition - 40 weitere Jahre sollten folgen.
Hiltrud und Herwin Eckerskorn in ihrem "Wohnzimmer". Nach 55 Jahren schließen sie am Ende des Jahres ihre Gaststätte in der Cochemer Unterbachstraße.

Hiltrud und Herwin Eckerskorn in ihrem "Wohnzimmer". Nach 55 Jahren schließen sie am Ende des Jahres ihre Gaststätte in der Cochemer Unterbachstraße.

Am 30. Dezember werden die Eckerskorns zum letzten Mal ihr Lokal in der Cochemer Unterbachstraße öffnen. Dann endet eine 55-jährige Geschichte, die viele Geschichten geliefert hat. Kenner der Moselstadt sagen sogar, dass im "Braustübchen" mehr Politik gemacht wurde, als im nur wenige Meter entfernten Rathaus der Stadt. "Im Rathaus haben sie sich bekämpft und hier haben sie zu vorgerückter Stunde wieder zusammen gesessen. Ganz Mutige behaupten, dass hier etwas beschlossen wurde und die Fensterreden im Rathaus gehalten wurden", schmunzelt Herwin Eckerskorn, der nachdem sein Vater 1961 gestorben war, die Gaststätte übernommen hat. Der gelernte Textilkaufmann, der in ganz Deutschland unterwegs war, wurde sesshaft - 26 Jahre war er damals. Er und seine Frau Hiltrud, die aus der Gastronomie kam, wurden binnen weniger Jahre zu einer Institution in der Stadt. Ihr Publikum: von den Primanern des Gymnasiums bis zu den Geschäftsleuten der Cochemer Innenstadt. "Es war immer ein Tisch für die Cochemer reserviert", erzählt Hiltrud Eckerskorn und blickt dabei auch etwas wehmütig zurück. "Wir hatten früher einen Stammtisch, der 16 Männer zählte. Davon lebt noch einer." Ein Glas Bier kostete 35 Pfennig Früher ist schon ein Stichwort, auch wenn die Eckerskorns die Vergangenheit nicht im Vergleich zum Heute verklären. "Im Gastverhalten hat sich aber einiges geändert", sagt der Wirt, wenn er an die Gründerjahre denkt. Damals kostete ein 0,2 Liter-Glas Bier 35 Pfennig. "Da gab es aber auch nur einen Stundenlohn von 1,50 D-Mark", relativiert Eckerskorn etwaige Vergleiche. Besonders stolz ist das Ehepaar auf eine inoffizielle Auszeichnung: "Der Wirt, der nie die Polizei braucht." Trotz Sperrstunde und späten Gästen, gab es im "Braustübchen" keinen Ärger - auch nicht mit der Nachbarschaft. "Betrunkene haben keinen Alkohol mehr bekommen. Und trotzdem musste mancher mal an die Hand genommen werden", so Hiltrud Eckerskorn, die auch bei der Weitererzählung von Thekengerüchten die Handbremse zog. "Das gibt und gab es garnicht. Es sollte keiner erzählen, das habe ich bei den Eckerskorns gehört. Wir sind schweigsamer als der Pastor bei der Beichte", ist die Wirtin immer auf einen guten Leumund bedacht. Sogar Nowitzki war da In den vergangenen Jahren kamen auch immer wieder junge Holländer und Engländer, die im Gästebuch Opa und Oma entdeckten. Und ein ganz Großer war auch schon da - NBA-Star Dirk Nowitzki, bevor er ein Basketballprofi in den USA wurde. Es war eigentlich immer etwas los - außer dienstags, dann war Ruhetag. Und an Weihnachten wurde die Gaststätte auch schon einmal zum Spielzimmer, wenn die Modelleisenbahn aufgebaut wurde. "Die hat mein Mann eher sich selbst als den Kindern geschenkt", lacht Hiltrud Eckerskorn. Lachen gehört sowieso zur Eckerskornchen Philosophie. So war Herwin 30 Jahre Präsident des Karnevalsvereins. Eine Zeit, die er ebenso wenig missen möchte, wie seine 55 Jahre als Wirt. "Eine Chronik hätte sich sicher gelohnt", gibt er gerne zu. Dann hätte auch von fünf Mal Hochwasser im Gastraum berichtet werden müssen und von vielen anderen, durchaus schöneren Ereignissen. Jetzt wird der Zapfhahn abgeschraubt und dann heißt es "Dolce Vita", schmunzeln die Eckerskorns, die ihrem Ruhestand - zumindest äußerlich - sehr entspannt entgegen sehen. Foto: Pauly


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