"Ein Stück Marktversagen"

Interview mit Landrat Manfred Schnur zu Überlegungen, dass sich der Kreis an den Krankenhäusern Cochem und Zell beteiligt.
Landrat Manfred Schnur.

Landrat Manfred Schnur.

Die finanzielle Misere der beiden Krankenhäuser im Kreis Cochem-Zell ist eine Folge, der von der Politik eingeführten Fallpauschalen. Das bedeutet: Viele Fälle (Patienten), viel Geld, wenige Fälle viel Verlust. Sind zwei Krankenhäuser in unserem Landkreis bei den geringen Einwohnerzahlen zu rechtfertigen? Die Zeller und viele andere aus dem Landkreis haben letztes Jahr für das Krankenhaus in Zell gekämpft und sind auf die Straße gegangen. Ich glaube, das träfe in gleicher Weise auch für das Krankenhaus in Cochem zu. Der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach ihrem wohnortnahen Krankenhaus und damit gleichzeitig nach einer wohnortnahen medizinischen Versorgung ist groß. Gerade in der Corona-Krise hat sich eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig Krankenhäuser bei einer Pandemie sind und welche Sicherheit sie den Menschen geben. Beide Krankenhäuser sind nach dem Krankenhausplan des Landes Rheinland-Pfalz Krankenhäuser der Grundversorgung und für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung systemnotwendig. Dies hat das Gesundheitsministerium auch erneut bestätigt. Die Krankenhäuser wurden in den letzten Jahren in unserem Gesundheitssystem nicht angemessen vergütet. Dies hat für viele Häuser zur Existenzbedrohung geführt, insbesondere für kleinere Krankenhäuser auf dem Land. Oftmals sind den Krankenhäusern zustehende Vergütungen verspätet oder nur gekürzt gewährt worden. Sie haben sich ja bereits gedanklich mit einer kommunalen Beteiligung an den Krankenhäusern beschäftigt. Wäre es nicht sinnvoller, zuerst mit den Ordensverantwortlichen, also für Zell mit der katholischen Alexianer Gruppe in Münster und für Cochem mit den Marienschwestern in Berlin zu sprechen und gemeinsam zu schauen, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt? Mein Haus und ich als Landrat haben über all die Jahre einen ständigen Kontakt zu den Krankenhäusern und deren Trägern gepflegt und Gespräche geführt. In Zeiten von Krisen oder Veränderungen bei den Krankenhäusern sind diese Gespräche intensiviert worden, da es um den Bestand und die Sicherstellung der Krankenhausversorgung in unserem Landkreis geht. Hierzu hat der Kreistag die Verwaltung und mich als Landrat bereits im März letzten Jahres einstimmig und ausdrücklich beauftragt. So habe ich bereits im letzten Jahr Gespräche mit allen Trägern - den Alexianern in Münster, der Katharina Kasper ViaSalus Gruppe und den Marienschwestern - geführt. Dabei wurde offen über alle Punkte gesprochen. Interessant dabei war, dass alle Träger zu den Standorten stehen, ihre Verantwortung wahrnehmen wollen aber auch für alle Möglichkeiten einer zukünftigen, wirtschaftlichen und bedarfsgerechten Lösung offen sind. Wichtig ist auch, dass bei jeder Lösung eine Standortgarantie für beide Häuser gegeben ist. Das ist auch der ausdrückliche Wille und Wunsch aller im Kreistag vertretenen Fraktionen. Die beiden Krankenhäuser in unserm Kreis schreiben, wie sie mittlerweile auch bestätigt haben, hohe Verluste. Dieses Defizit sollte eigentlich von den Krankenkassen mit einem Sicherungszuschlag größtenteils ausgeglichen werden. Allerdings haben die Krankenkassen diesen bislang noch nicht gezahlt. Wissen Sie warum? Ja, wie bereits gesagt, viele Krankenhäuser sind selbst "wirtschaftlich krank". Viele Häuser mussten schon durch ein Insolvenzverfahren, andere Standorte stehen vor einer Schließung. Das ist nicht gut, da es oft kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum trifft. Dort entsteht ein Verlust an einer wichtigen medizinischen Versorgungseinrichtung, die wahrscheinlich auf Dauer verloren ist. Für die Menschen wird damit der Weg zum nächsten Krankenhaus weiter und zeitlich länger. Deshalb ist die Politik gefordert - über Corona-Schutzschirme hinaus - eine angemessene Vergütung für Leistungen und Vorhaltung sicherzustellen. Aber auch die Krankenkassen müssen zeitnah und vollumfänglich mit den Krankenhäusern abrechnen. Insbesondere der gesetzlich garantierte Sicherstellungszuschlag, der gerade zur Abdeckung von Verlusten bei kleineren Häusern dienen soll, darf nicht verzögert werden. In dieser Angelegenheit habe ich vor vier Wochen der Vorstandsvorsitzenden der AOK Südwest geschrieben, mit der dringenden Bitte, den Sicherstellungszuschlag endlich an die Krankenhäuser auszuzahlen. Leider habe ich bis heute noch keine Antwort. Sollten die Überlegungen konkreter werden und sich der Kreis und/oder die Verbandsgemeinden an einer Betreibergemeinschaft der beiden Krankenhäuser beteiligen, muss die direkte Frage erlaubt sein: Können Sie Krankenhaus? Nein! Wir können kein Krankenhaus und wir wollen diese Aufgabe auch weiterhin mit freien, kompetenten Trägern wahrnehmen. Vielleicht auch in einer Gemeinschaftslösung. Das habe ich bereits im Kreistag im letzten Jahr ausgeführt. Dort wurde in einigen Wortmeldungen von Kreistagsmitgliedern eine öffentliche Trägerschaft gefordert. Sollte sich der Kreis oder die Verbandsgemeinde wirklich dazu entscheiden, sich an den Krankenhäusern zu beteiligen, könnte man auch die Frage stellen, ob das nicht beihilferechtlich bedenklich ist bzw. sogar untersagt werden könnte von Ihrer Aufsichtsbehörde. Denn auch Krankenhäuser sind Wirtschaftsunternehmen, die sich immer wieder im hart umkämpften Markt behaupten müssen. Dann könnten doch die öffentlichen Gelder als illegale Beihilfe gemeldet werden oder? Liquiditätshilfen sind Beihilfen, die so nicht einfach fließen können. Krankenhäuser sind Wirtschaftsunternehmen und stehen im Wettbewerb untereinander. Solche Hilfen müssen von der EU-Kommission in Brüssel genehmigt werden. Dies scheint wenig aussichtsreich, da die EU-Kommission auf öffentliche Krankenhäuser ein besonderes Augenmerk gelegt hat. Die einzige Möglichkeit von finanziellen Hilfen durch die Kommunen besteht als Gesellschafter in einer privatrechtlichen Lösung. Aus zwei Kranken machen Sie durch ein Zusammenlegen keinen Gesunden. Glauben Sie, dass es in fünf Jahren noch zwei Krankenhäuser im Kreis Cochem-Zell gibt? Ich bin schon immer ein Optimist. "Geht nicht, gibt´s nicht"! Es wäre schade und für unsere Bürgerinnen und Bürger und auch für den ländlichen Raum eine Katastrophe, sollten die Krankenhäuser aufgegeben werden müssen und nicht weitergeführt werden können. Deshalb müssen wir alles tun, damit dieses Szenario nicht eintrifft. Da sind auch wir als kommunale Familie gefordert, alle Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren und zu prüfen - auch eine gemeinsame Gesellschaft -, um einen dauerhaften Bestand der Krankenhäuser zu sichern. Dafür müssen die Ärzte und die Menschen auch Vertrauen in die Qualität und Leistungsfähigkeit der beiden Häuser haben. Und ich glaube, dieses Vertrauen können wir auch haben. Krankenhäuser leben von ihren Kunden - also von uns! Als Sie am 1. November 2007 als Landrat von Cochem-Zell Ihren Dienst angetreten haben, hätten Sie damals gedacht, dass Sie sich einmal mit dem Betrieb eines Krankenhauses beschäftigen müssen? Nein! Ich hätte mir damals nie vorstellen können, dass wir zur Sicherstellung einer medizinischen Versorgung - und dies gilt für die ambulante wie für die stationäre Versorgung - die öffentliche Hand und somit den Landkreis oder die Verbandsgemeinden so direkt brauchen. Aber es ist wie in andern Bereichen z. B. der Breitbanderschließung oder im ÖPNV, wo wir gefordert sind. Ja, das ist ein Stück Marktversagen, gerade im ländlichen Raum. Und Corona wird dies noch auf andere Bereiche ausdehnen. Dass aber gerade mit sogenannten "PPP-Modellen" öffentliche und private Partnerschaften Erfolg haben können, dafür ist unsere Breitbandinfrastrukturgesellschaft ein gutes Beispiel. Die Fragen stellte Mario Zender.


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