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Der neue Reiz?

Über BASE-Jumper, Spaziergänger und Neugierige / LBM: »Gelände wird mit geeigneten Mitteln überwacht«

Bereits als Baustelle ist der 160 Meter hohe und 1,7 Kilometer lange Hochmoselübergang ein beliebtes Ausflugsziel. Davon zeugen die 3600 Teilnehmer an Führungen, die die Tourist-Information Bernkastel-Kues im Auftrag des Landesbetrieb Mobilität LBM im vergangenen Jahr organisierte. Bei derart beeindruckenden Ausmaßen verwundert das Interesse an der bis heute umstrittenen Brücke nicht. Jeden Freitag treffen sich Neugierige an der Römerkelter in Erden. Die Exkursionen, die über die Tourist-Information vermittelt werden, gehen aus sicherungs- und haftungstechnischen Gründen nicht auf den Brückenkopf. Gerade der reizt aber Manchen besonders: einmal hinauf auf die Brücke zu gelangen, einmal hinunterzublicken in den Abgrund, hinunter zu spucken oder sogar zu springen. Offenbar haben bereits Menschen den Weg hinauf auf die spätere Fahrbahn gefunden. Spaziergänger und BASE-Jumper.

Erst Fallschirm, dann BASE

Die Buchstaben stehen für Building (Gebäude), Antenna (Antennen, -masten), Span (Brücken) und Earth (Felsen). Viele Jahre Erfahrung als »normaler« Fallschirmspringer sind nötig, bevor der erste BASE-Jump gewagt werden darf, erläutert uns Jürgen Mühling auf Anfrage. Mühling ist Ansprechpartner für Rheinland-Pfalz im Verein Deutscher Objektspringer VDO. In der Szene weiß man auch um die tödliche Gefahr, der sich Menschen ohne ausreichend Übung aussetzen. Noch dazu ist der Extremsport, anders als in Norwegen, Italien, Frankreich oder der Schweiz, in Deutschland grundsätzlich nicht erlaubt. Anvisierte Bauwerke müssen hier zunächst geprüft und einzelne Sprünge vom deutschen Fallschirmsportverband genehmigt werden. In der Vergangenheit zugelassen waren beispielsweise der Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz und der Maintower in Frankfurt.

LBM: keine Stellungnahme

Illegal oder legal: Nicht alle kümmern sich darum. Mehrere, voneinander unabhängige Informanten berichteten unserer Zeitung, dass auch vom Hochmoselübergang bereits gesprungen wurde. Wir fragten nach, ob dies an verantwortlicher Stelle bekannt ist. »Hierzu geben wir keine öffentliche Stellungnahme ab«, lautete die Antwort von Guido Wacht, LBM Trier. Die Absicherung der Baustelle obliege den beauftragten Baufirmen. »Es gibt keinen öffentlichen Zugang zum inneren Baufeld, das heißt auch zum Überbau.« Es mag für die Zukunft stimmen, dass die aufgestellten Zäune Menschen vom Betreten der Brückenbaustelle abhalten, für die Vergangenheit stimmt es offenbar nicht. Wieso wir das glauben? Ganz einfach: Wir haben mit Jemandem gesprochen, der oben war. Ein Neugieriger, der sich völlig problemlos von den Weinbergen her Zugang bis auf den Brückenkopf verschaffen konnte. Deshalb fragten wird den LBM nach konkreten Sicherungsmaßnahmen und erfuhren, der Baubereich sei »allgemeinkenntlich durch Bauzäune umschlossen. Eine Überwachung des Baugeländes findet mit geeigneten Mitteln statt, Details hierzu werden nicht veröffentlicht.«

Delikt: Hausfriedensbruch

Wie Karl-Peter Jochem, Sprecher des Polizeipräsidiums Trier, auf Anfrage mitteilt, sind der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues bisher keine Personen gemeldet worden, die das Bauwerk unberechtigterweise betreten haben. Beim Betreten des abgesperrten Baustellenbereiches könne ein Hausfriedensbruch in Betracht kommen. Um das Delikt ahnden zu können, sei ein Strafantrag durch den Geschädigten nötig. »Dies dürfte im vorliegenden Fall der Landesbetrieb Mobilität oder die betroffene Firma sein«, so Jochem. »Allerdings kam es im November 2015 zu einem Vorfall, bei dem zwei Personen von einem Baukran heruntergesprungen sind.« Damals gab es Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch und Verstößen gegen das Luftfahrtgesetz bzw. die Luftfahrtverordnung. Wer das Brückenbauwerk offiziell bei einer Führung kennen lernen möchte: Kontakt-Telefon 0 65 31 / 50 01 95.        pug    Fotos: P.Geisbüsch 

Jürgen Mühling ist Ausbilder im Fallschirmsport in Fehrbellin und Ansprechpartner für Rheinland-Pfalz im Verein Deutscher Objektspringer VDO. Wir befragten ihn nach seiner Motivation und seiner Freude am BASE-Jumpen. Nachfolgend lesen Sie das Interview in Auszügen.

WochenSpiegel:  Sie sprangen über Jahre Fallschirm. Warum hat Ihnen das irgendwann nicht mehr genügt? Jürgen Mühling: Die Fragestellung ist komisch! Nur weil ich Spaß am Autofahren habe, heißt das ja nicht, dass Motorradfahren nicht auch cool ist und man nicht beides zusammen machen kann bzw. toll findet. Beides ergänzt sich sogar sehr gut und potenziert das Lebensgefühl. So interagieren auch Skydiver (siehe Erklärung am Textende). WS: Wie würden Sie persönlich den besonderen Reiz des BASE-Jumpen, Skydiven bzw. Wingsuit-Fliegen  beschreiben? Es ist eine Verbindung vieler Erlebniswelten zu einer. Für mich ist das die maximale Form der Herausforderung für Körper und Geist und damit auch maximale Selbstverwirklichung. Es ist ein schönes Gefühl, mit sich selber eins im Moment zu sein. Es ist auch Selbstbestimmung mit einem Hauch von erlebtem Abenteuer und fassbarer Freiheit. WS: Ich denke, dass die meisten Menschen Sie als lebensmüde bezeichnen würden. Warum sind Sie das genau aber nicht? Weil das Ziel eines Sprunges nicht der Tod ist, sondern gerade über das Umsetzen des Besonderen ganz im Gegenteil mehr Lebensgefühl entsteht. Ich will das ja auch wieder und wieder und wieder tun (können). Es ist dabei sehr erhebend, immer wieder diese Faszination zu erleben und zu erfahren. Das damit verbundene Risikomanagement hat derweil auch immer was mit den eigenen Fähigkeiten zu tun. Selbst wenn hier ein Fehler im Umkehrschluss mit negativen Konsequenzen einhergehen kann. Ehrliche Akzeptanz heißt der Schlüssel. Daran arbeite ich auch ständig. Außenstehende ohne Kenntnis der ganzen Interna reagieren natürlich oft mit Skepsis. Das ist völlig klar und ihr gutes Recht, solange sie der Sache würdige Toleranz einräumen. Niemand wird ja gezwungen, beispielsweise von einem Berg zu springen. WS: Können Sie das noch näher erläutern? Skepsis führt bekanntlich auf Dauer zur Angst. Insofern sollte ein Urteiler erst einmal seine Sichtweise in Frage stellen, bevor er die eines Anderen als abwegig ersinnt. Selbst der vorsichtigste Mensch wird in diesem Kontext am Ende nicht überleben. Mögen somit unsere Bestrebungen zum Glücklichsein gerne über den Sinn unserer Aktionen bestimmen. Insofern gilt meine Sympathie hier auch mehr den Mutigen. Denn den Mutigen, die es, natürlich, schaffen alt zu werden, gehört am Ende die Welt.    

Kleine Schule des Springens:

Skydive: Fallschirmsprung aus einem Luftfahrzeug BASE-Jump: Sprung von einem festen Objekt. BASE steht für Building (Gebäude), Antenna (Antennen, -masten), Span (Brücken) und Earth (Felsen) Wingsuit-Flug: Der Springer trägt eine Wingsuit (Flügelanzug mit Stoff zwischen Armen und Beinen) und gleitet nach dem Sprung durch die Luft


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